Die Zungendiagnose ist eine hohe Kunst, die aus dem antiken China stammt, als es noch keine bildgebenden Verfahren oder Laborwerte gab. Auch in der Schweiz und in Deutschland gehörte früher die Zungendiagnose zu den gängigen Untersuchungsmethoden. Manch einer mag sich an seine Kindheit zurückerinnern, als der Arzt einen regelmässig aufforderte, die Zunge herauszustrecken. Körperliche Störungen und Schwachstellen konnten so in einem frühen Stadium erkannt werden, bevor es zum Ausbruch einer Krankheit kam.
Bei der Zungendiagnose unterscheidet man sehr genau, ob eine Erkrankung den Zungenkörper oder den Zungenbelag verändert. Grundsätzlich wird die Zunge in Zonen eingeteilt: Zungenspitze, vorderes Zungendritte, Zungenmitte, Zungenränder und Zungenwurzel. Die Zungenspitze wird dem Herzen zugeordnet, das vordere Zungendrittel der Lunge, die Zungenmitte dem Magen, der Zungengrund den Nieren und die Zungenränder der Leber. Für Sie als Patient ist die Zungendiagnose wahrscheinlich die nachvollziehbarste Diagnoseform in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Mit dem morgendlichen Blick in den Spiegel können Sie relativ einfach die Veränderung des Zungenbildes während einer Therapiesequenz mitverfolgen. In vielen Fällen wird schnell sichtbar, wie sich Belag, Form und Farbe verändern.
Wichtig ist es, dass Sie als Patient zwei Stunden vor einer Untersuchung keine färbenden Lebensmittel zu sich nehmen. Beispielsweise verfälschen Gewürze wie Curry, Chili oder Senf die Farbe – sie sorgen für einen gelblich-orangenen Zungenbelag. Ebenfalls haben Kaffee, Schwarztee, Rauchen und Alkohol einen Einfluss auf Farbe und Zungenbelag. Diese verursachen eine Grau- oder Braunfärbung. Milchprodukte hinterlassen einen weissen oder quarkigen Belag. Versuchen Sie deshalb, zwei Stunden vor der Behandlung nichts zu essen.
Normalerweise ist die Zunge beim Herausstrecken frei beweglich, leicht feucht und glänzend. Sie hat einen dünnen, weissen Belag, der sich nicht abwischen lässt. Der Zungenkörper ist leicht gerötet. Ist der Zungenkörper geschwollen oder vergrössert, zeigen sich oft Zahnabdrücke an den Zungenrändern. Dieses Erscheinungsbild ist ein Hinweis, dass sich Feuchtigkeit im Körperinneren angesammelt hat. Auch ein sehr feuchter Zungenkörper mit schmierig/klebrig/weissem Zungenbelag zeigt, dass der Körper Nahrung schlecht verstoffwechselt oder dass sich Kälte und Feuchtigkeit im Körperinneren angesammelt hat. Dieses Phänomen ist bei häufigem Rohkostverzehr in Form von Salaten, Südfrüchten oder Milchprodukten (besonders Kuhmilchprodukte) in der Ernährung zu finden. Blähungen, Völlegefühl und Bauchschmerzen nach den Mahlzeiten sind zusätzliche Hinweise, dass die zu sich genommene Nahrung zu kalt, zu roh oder zu unverdaulich ist. Aufgrund der Nahrungsstagnation bildet sich Schleim, der im Körperinneren für Beschwerden sorgt.
Neben einem vergrösserten Zungenkörper findet sich bei manchen Patienten auch ein dünner und zarter Zungenkörper. Eine auszehrende Lebensweise, Leistungssport, Stress, körperliche Arbeit oder auch eine Geburt mit viel Blutverlust sind hier die Verursacher. Eine dünne Zunge deutet auf Säftemangel hin, der sich auf körperlicher Ebene mit Schlafstörungen, Unruhezuständen oder Dünnhäutigkeit zeigen kann. Ein blasser Zungenkörper deutet zudem auf Qi- und Blutleere hin.
Weitere Kriterien bei der Diagnosefindung sind Steifigkeit der Zunge, Zittern oder ein verkürzter Zungenkörper. Ebenso deuten Furchen auf eine auszehrende oder hitzige Thematik hin. Besonders wenn der Zungenbelag fehlt oder trocken ist und der Zungenkörper eine tiefrote Farbe aufweist, deutet dies auf Hitze und den Verlust von kühlenden Körperflüssigkeiten hin. Dieser wird neben einer auszehrenden Lebensweise meist durch scharfe Gewürze, Alkohol oder Kaffee im Übermass verursacht. Da die Körpersäfte verbraucht werden, kommt es zu Hitzezuständen, die langfristig in eine bedrohliche Yin Mangel Thematik von Leber oder Nieren münden. Aufgestaute, mit roten Punkten versehene Zungenränder zeigen diese Hitze im Leber- und Gallenblasenbereich an.
Sie sehen, die Zungendiagnose ist sehr komplexes Untersuchungsverfahren. Wünschen Sie eine Beratung? Sie dürfen sich gerne für einen Termin in unserer Praxis melden. Wir sind für Sie da.